Der Traum vom Fliegen – „Ein langer Weg ohne Plan B“

Der Traum vom Fliegen – „Ein langer Weg ohne Plan B“

Kropp/Jagel, Oberleutnant Andreas Hansen schaut konzentriert über seine rot beleuchteten Instrumente. Er checkt Höhe, Geschwindigkeit und die Anzeige für den künstlichen Horizont. Ein Blick aus dem Cockpit bringt keine Orientierung. Sein Flugzeug fliegt in einer dichten weißen Wand aus Nebel und Wolken.

 

Hinter dem jungen Offizier, nur durch Instrumente und den massigen Schleudersitz getrennt, sitzt Mark Thomsen. Der 31-jährige Oberleutnant ist der Waffensystemoffizier (WSO) des Tornado-Kampfjets. Gemeinsam arbeiten die beiden Soldaten die komplexen Abläufe des Trainingsflugs ab. Schweißperlen laufen über die Stirn von Andreas Hansen. Seine Augen bewegen sich gleichmäßig von einer Cockpitanzeige zur anderen. „Wir verlassen uns beim Instrumentenflug niemals auf nur eine Anzeige. Das nennt man Crosscheck“, erklärt der 28-jährige Flugschüler.

 

Training in den Wolken

Sein Hintermann kontrolliert derweil die Flughöhe. Als angehender Waffensystemoffizier ist er für die Navigation des Flugzeugs verantwortlich. Der Höhenmesser zeigt 20.000 Fuß. Das sind fast 6.100 Meter. In dieser Höhe ist die Wolkendecke beinahe undurchdringlich und ein Flug auf Sicht unmöglich. Genau das ist ein Ausbildungsziel, das die beiden jungen ehrgeizigen Soldaten heute bewältigen müssen.

Letzte Vorbereitungen vor dem Start. (Quelle: Luftwaffe/Falk Baerwald)

Andreas Hansen steuert den Jet durch verschiedene Flugmanöver. Der WSO überwacht die komplexe Navigation und unterstützt seinen Piloten, die verschiedenen Abläufe im Flug zu koordinieren. Nach mehr als einer Stunde haben die beiden Offiziere ihr Training in den Wolken beendet. Per Funk bekommen sie von ihrem Fluglehrer den Befehl, auf den Flugplatz Jagel in Schleswig-Holstein zurückzukehren.

 

Mit 350 Knoten zurück nach Jagel

Von der Elbe vor den Toren Hamburgs bis zum Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ dauert es nur wenige Minuten. Dann durchbricht der Tornado die Wolkendecke. Unter ihnen rasen der Ostseefjord Schlei und die Stadt Schleswig vorbei. Sie beginnen mit dem Landeanflug und setzen wenige Sekunden später auf der Landebahn auf.

Im Kontrollraum überwachen Fluglehrer die Ausbildung ihrer Schüler. (Quelle: Luftwaffe/Falk Baerwald)

Über Funk kommen letzte Anweisungen. Plötzlich beginnt die Landschaft um das Cockpit herum zu flimmern. Die Bäume, Hallen und der Tower verschwinden. Zurück bleibt eine kahle, weiße Wand. Licht flackert auf und eine Tür öffnet sich. Oberstleutnant Frank Weber betritt den Flugsimulator. Als Fluglehrer der 4.Staffel ist er für den heutigen Ausbildungsflug verantwortlich. Das Cockpitdach fährt auf und Mark Thomsen steigt mit seinem Piloten aus dem Flugsimulator. Nach einem kurzen Gespräch verlassen die drei Soldaten die große, runde Kuppel über eine Stahltreppe. Jetzt wird der gesamte Trainingsflug bis ins Detail besprochen.

 

Ein langer Weg ohne Plan „B“

Bis zum ersten Simulator-Flug, mussten die acht Flugschüler der 4. Staffel hart für ihren „Traum vom Fliegen“ arbeiten. Am 25. April 2017 begann für die angehenden vier Piloten und vier Waffensystemoffiziere ihr „B-Course“ im Taktischen Luftwaffengeschwader 51 Immelmann. Hier im Norden Deutschlands lernen die jungen Offiziere das Fliegen mit dem Waffensystem Tornado. Alle haben bereits eine fliegerische Ausbildung bestanden. „Meine Erwartungen an die jungen Soldaten sind hoch. Neben Disziplin, Fleiß und Ehrgeiz wird eine Menge von ihnen abverlangt“, sagte Oberst Krah zum Beginn ihrer rund neunmonatigen Ausbildung. Als Kommodore des Geschwaders begrüßte er den ersten Lehrgang persönlich. Nach dem Umzug der Ausbildungseinrichtung von der US Air Force Base Holloman nach Jagel ist das Taktische Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ um 190 auf fast 1.700 Dienstposten gewachsen. Die Zahl der Tornado-Jets stieg von 25 auf 39 Maschinen.

Kommodore Michael Krah unterhält sich mit den jungen Offizieren. (Quelle: Luftwaffe/Oliver Pieper)

„Ich hatte schon mit 14 Jahren den Wunsch, Tornadopilot zu werden“, Andreas Hansen. „Durch einen Schulfreund von mir, entstand der Traum, einen Kampfjet zu fliegen. Er wohnte mit seiner Familie in der Nachbarschaft, und sein Vater war Pilot bei der Bundeswehr. Die ganze Familie war ein Vorbild für mich. Das wollte ich auch erreichen. Seit dieser Zeit habe ich alles gegeben, um meinen Traum zu verwirklichen. Einen „Plan B“ hatte ich dabei nie. Für mich gibt es nur dieses eine Ziel.“

Maßarbeit: Damit der Fliegerhelm perfekt sitzt, wird der Kopf von Oberleutnant Simon Thiel genau vermessen. (Quelle: Luftwaffe/Oliver Pieper)

 

Der erste Tag am neuen Standort

Auch Oberleutnant Michael Gärtner und Oberleutnant Simon Thiel gehören zu dem ersten „B-Course“, der in Deutschland stattfindet. Der erste Tag in der 4.Staffel bringt für die Lehrgangsteilnehmer erst einmal viele unterschiedliche Termine im gesamten Geschwader. So müssen zum Beispiel die Flugausrüstung wie der Fliegerhelm an jeden Soldaten individuell angepasst werden. Dafür muss der gesamte Kopf vermessen werden. Auch die Sauerstoffmaske der Piloten muss perfekt sitzen. „Jeder Lehrgangsteilnehmer bekommt seine eigene Flugausrüstung. Bei einem Flug mit dem Tornado wirken extreme Kräfte auf den Körper. Da müssen wir uns in jeder Situation auf unsere Ausrüstung verlassen können“, erklärt Oberleutnant Simon Thiel. Vor dem ersten Simulator-Flug erhalten dann alle acht Flugschüler ihr persönlich angepasstes Material.

Auch die Atemmaske wird individuell angepasst. (Quelle: Luftwaffe/Oliver Pieper)

 

Im Kampf mit den g-Kräften

Wenig später streift sich Simon Thiel seinen Anti-g-Anzug über. An seinen Beinen werden die Schnüre eng angezogen, fixiert und später vernäht. Schlaufe für Schlaufe schnürt sich um sein Bein. Der Anzug wird ihm später beim Flug helfen, die g-Kräfte zu überstehen und nicht das Bewusstsein zu verlieren. Ein Anti-g-Anzug verhindert ein Absacken des Blutes in die untere Körperhälfte. Das funktioniert durch unterschiedlichen Druck auf die Gefäße, insbesondere im Bauch-, Ober- und Unterschenkelbereich. Und der kann sich bei jedem Flugmanöver ändern.

Der Anti-g-Anzug wird erst verschnürt und später vernäht. (Quelle: Luftwaffe/Oliver Pieper)

 

Viel Theorie für die Praxis

Im Unterrichtsraum der 4. Staffel sind die Schreibtische der Flugschüler in mehreren Reihen aufgestellt. Computermonitore flimmern in unterschiedlichen Farben. Die angehenden Piloten und Waffensystemoffiziere folgen aufmerksam den Worten von Oberstleutnant Frank Weber. Auf dem Unterrichtsplan steht heute das komplexe Thema der Luftfahrtregeln. Alle Lehrgangsteilnehmer wurden zuerst im nordamerikanischen Luftraum ausgebildet. Jetzt müssen sie deutsche Gesetze und Vorschriften pauken. Andere Themen sind Hydraulik, Elektronik oder die Computersysteme des Tornados. Erst wenn alles sitzt, geht es für die acht Soldaten zum ersten Simulator-Flug.

Grundlage für alle praktischen Ausbildungsabschnitte: der theoretische Unterricht. (Quelle: Luftwaffe/Falk Baerwald)

 

Die erste Bewährungsprobe

Oberleutnant Andreas Hansen und sein WSO Mark betreten das Simulator-Gebäude. Heute steht für sie der erste Simulator-Ausbildungsflug im Tornado an. Fluglehrer Oberstleutnant Frank Weber empfängt die junge Crew vor dem Planungsraum. „Den Vormittag haben wir mit der Planung des Ausbildungsfluges verbracht. Jetzt sind wir etwas aufgeregt aber gut vorbereitet“, sagt Hansen. Die drei Soldaten betreten den kleinen Raum, den die Tornadobesatzungen zum letzten Checkup für die Ausbildungsflüge nutzen.

Letzte Absprachen zwischen Oberleutnant Hansen und Oberleutnant Thomsen. (Quelle: Luftwaffe/Falk Baerwald)

Jetzt gibt es die letzten Anweisungen. Dann stellt Frank Weber am Ende gezielt Fragen zu den Abläufen, Details und Anforderungen der Ausbildung. Als Fluglehrer wird er den gesamten Flug bewerten und im Kontrollraum alle Instrumente und Anzeigen überwachen. Um die Ausbildung so realistisch wie möglich zu gestalten, ist das Tornado-Cockpit des Simulators originalgetreu nachgebaut. Und auch die Crew geht voll ausgerüstet in das Training: mit Fliegerhelm und Anti-g-Anzug, wie bei einem richtigen Flug. Mark Thomsen betritt zuerst die große Simulator-Kuppel. In ihrer Mitte ist das Cockpit verbaut. Die Bildprojektoren werfen bereits das Innere eines Flugzeughangars an die runden Wände.

Start zum Simulator-Flug. (Quelle: Luftwaffe/Falk Baerwald)

Die beiden Offiziere klettern in das Cockpit und nehmen ihre Arbeitsplätze ein. Andreas Hansen sitzt als Pilot im Tornado-Jet auf dem vorderen Platz. Hinter ihm fährt Mark Thomsen auf dem Sitz des Waffensystemoffiziers die Computersysteme hoch. Jetzt wird das ganze Wissen aus dem Unterricht gebraucht. Bis zum Start wird die Checkliste genau abgearbeitet. Das Kabinendach schließt sich und der Ausbildungsflug in eine dichte weiße Wand aus Nebel und Wolken beginnt.

 

Autor: Oliver Pieper/Luftwaffe

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