Extreme Belastungen im Visier

Extreme Belastungen im Visier

Systemzentrum 21 in Diepholz und Rheine: Hier werden die Transport-Hubschrauber CH-53 wieder fit gemacht. „Am schlimmsten ist der Sand“, weiß Oberleutnant Ralf Haferkamp. „Egal, welche Luftfilter wir einbauen, er dringt selbst bis ins Getriebe vor und sorgt für hohen Verschleiß“, beschreibt er den feinen afghanischen Sand. Haferkamp ist Luftfahrzeugtechnischer Offizier im Systemzentrum 21 der Luftwaffe im niedersächsischen Diepholz. Der gelernte Mechaniker koordiniert in der Fliegerhorst-Werft die Instandsetzungsarbeiten der mittelschweren Transporthubschrauber Sikorsky CH-53. Die Luftwaffe plant jährlich bis zu 10.000 Flugstunden mit den CH-53 , hauptsächlich im Ausbildungsflugbetrieb. Aber natürlich werden auch viele Flugstunden im Einsatz erbracht. Der Schwerpunkt lag dabei bislang in Afghanistan. Nach 200 Flugstunden, etwa alle eineinhalb Jahre, muss eine CH-53 zur „großen Inspektion“. Ein Großteil der anfallenden Inspektionen wird von den Frauen und Männern des Systemzentrums 21 in Diepholz und Rheine durchgeführt.

 

Militärische und zivile Mitarbeiter Hand in Hand
„Wir haben Unikat-Fähigkeiten“, schwärmt Oberstleutnant Hartmut Sakowsky. Er ist seit Januar 2014 Leiter des Systemzentrums 21 in Diepholz. Mehr als die Hälfte seiner Mitarbeiter sind zivile Fachkräfte aus der Region: Metaller, Elektrotechniker, Triebwerkmechaniker, Werkstoffprüfer, Dreher, Schlosser, Maler, Sattler, Tischler. Von den 130 Zivilbeschäftigten sind allein 95 auf den Hubschrauber CH-53 spezialisierte Luftfahrzeugtechniker. „Ich dirigiere die Mannschaft wie ein Orchester“, beschreibt Oberleutnant Ralf Haferkamp die Koordinierung der Instandsetzungsabläufe. Als „Dock Chef“ ist er seit 2010 für den Einsatz der Frauen und Männer in den gewaltigen Werfthallen verantwortlich.

 

Penible Fehlersuche
Nicht nur der Wüstensand, auch die ungewöhnlichen Bedingungen, unter denen im Einsatz geflogen werden muss, setzen den Maschinen mächtig zu. „Die Piloten fliegen am technischen Limit. Zum Beispiel mit Höchstgeschwindigkeit in nur zehn Meter Höhe, um in Deckung zu bleiben, also möglichst spät gesehen zu werden“, berichtet der Offizier. „Die schnellen Richtungswechsel sorgen für extreme Belastungen an der Luftfahrzeugzelle.“ Der auftretende Reparaturbedarf wird dann während der Inspektion unter anderem mit speziellen zerstörungsfreien Prüfverfahren, wie Ultraschall oder Farbeindring- und Wirbelstromverfahren gesucht und gefunden. Jedem Luftfahrzeug wird eine feste Techniker-Crew zugewiesen. Diese besteht aus vier oder fünf Fluggerätemechanikern, die den jeweiligen Hubschrauber fast bis auf die nackte Zelle zerlegt. Die dabei auftretende Gewichtsreduzierung der Maschine von elf auf fünfeinhalb Tonnen mag diesen enormen Aufwand verdeutlichen. Jedes einzelne Teil, jede Komponente, wird unter die Lupe genommen und auf Störungen, Defekte, Risse oder Undichtigkeiten untersucht. Dann wird mit Unterstützung der Fachwerkstätten wie Triebwerk-Techniker, Metaller oder Elektroniker alles instand gesetzt.

 

Instandhaltung nach Maß
Besondere Aufmerksamkeit gilt den sechs Haupt-Rotorblättern der CH-53. In einer anderen Halle werden diese inspiziert und gewartet. Für ihre „Befundung“ ist in Diepholz seit 2007 Michael Eger verantwortlich. Er ist gelernter Fluggerätemechaniker und Luftfahrzeug-Metaller. Die Blätter sind beeindruckende 9,72 Meter lang, haben jeweils eine Oberfläche von circa 14 Quadratmetern und wiegen jeweils 167 Kilogramm. Gebaut werden sie aus drei Schichten Glasfasermatten. „Im Jahre 2000 wurden sämtliche Hauptrotorblätter der CH-53-Flotte ausgetauscht“, berichtet Eger. „Die alten Blätter hatten Holme aus Aluminium. Jetzt bestehen sie aus korrosionsbeständigem Titan.“ Sollten einem Blatt dennoch mal Anstriche oder gar Reparaturflicken verpasst werden müssen, dürfen diese nicht mehr als 100 Gramm wiegen. Damit werden Unwuchten vermieden. Idealerweise werden genau diese 100 Gramm vorher vom Blatt abgeschliffen. Trotz der massiven Erscheinung müssen die Rotorblätter also sensibel behandelt werden. Nach rund 7.000 Arbeitsstunden ist eine Maschine, die vorher im rauen Afghanistan hoch beansprucht wurde, wieder einsatzbereit.

 

Moderne Betriebsführung
Alle Prozesse der technischen Betriebsführung, vor allem die Ablaufplanungen und Materialanforderungen, werden weitgehend papierlos mit gängiger Computersoftware abgewickelt. Alle notwendigen Kooperationsstellen und Zulieferer sind bundesweit verknüpft. „Ein hochmodernes System, das sogar die zivile Luftfahrtindustrie neidisch beäugt“, wie Haferkamp schmunzelnd anmerkt.

 

Begehrte Ausbildungsplätze
Die Ausbildungsplätze, zum Beispiel zum Fluggerätemechaniker, sind begehrt. „Auf drei Lehrstellen bewerben sich rund 90 junge Leute“, berichtet Swantje Frank, Leiterin der Metaller-Ausbildungswerkstatt des Systemzentrums 21. 70 Prozent der Bewerber sind männlich, denn so interessant der Job auch ist, so unangenehm können schon mal die Arbeitspositionen oder –abläufe sein. Als Fluggerätemechaniker muss man auch schon mal in der Lage sein, schwerere Teile zu schleppen oder längere Zeit an einem Hubschrauber in unangenehmer Haltung zu arbeiten.

 

Test auf Herz und Nieren
Am Ende der großen Inspektion steht der sogenannte Einflugbetrieb. Dabei wird die vorher komplett zerlegte und wieder zusammengesetzte Maschine auf dem Flugplatzgelände in Diepholz von zwei Piloten, einem Bordtechniker und jeweils notwendigen Fachprüfern auf Herz und Nieren getestet und dabei „neu eingeflogen“. Erst danach darf die bewährte CH-53 wieder hinaus in den Einsatz.

 

Autor: Sönke Dwenger/Luftwaffe
Foto: Sönke Dwenger/Luftwaffe

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