Fliegender Wechsel in Afghanistan

In Masar-i Scharif sind sechs Transporthubschrauber CH-53 der Luftwaffe im Einsatz. Sie fliegen Personen- und Materialtransporte. Aber auch für den Transport von Verwundeten werden die Hubschrauber im deutschen Camp gebraucht. Nun hat eine der Maschinen die maximale Flugstundenzahl erreicht und wird gegen eine andere aus Deutschland ausgetauscht.

Entfernt sind am Horizont laute Donnergeräusche zu hören. Der Himmel ist klar und frei von Wolken. Die Geräusche halten an und scheinen näher zu kommen. Die Bäume biegen sich, Staub wird aufgewirbelt.

Am Himmel taucht ein Hubschrauber auf. Es dauert wenige Sekunden, bis er die Landebahn am Flughafen Leipzig erreicht hat. Eben noch rund 100 Meter in der Luft, sinkt er nun immer weiter. Hauptfeldwebel Mario Hamm* und sein vierköpfiges Team beobachten die Landung unaufgeregt. Für die Soldaten aus Diepholz gehört solch ein Spektakel zur alltäglichen Arbeit.

Zwei CH-53 tauschen ihre Plätze. Einer der beiden Hubschrauber wird nach Deutschland zur Wartung geflogen, die andere wird an ihrer Stelle in Afghanistan benötigt. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Die CH-53 muss ein halbes Jahr zur Wartung

Mit einem Schleppfahrzeug wird die CH-53 auf dem Leipziger Flughafen in eine rund 30 Meter hohe Halle gefahren. Der 30-jährige Hauptfeldwebel und sein fünfköpfiges Team machen sich sofort an die Arbeit. Sie lösen Bolzen und Schrauben. „Wir fangen mit den Hauptrotorblättern an und kümmern uns dann um den linken Außenzusatztank“, erklärt der Hauptfeldwebel.

Zentimeterarbeit: Die sechs Flugwerker aus Diepholz müssen absolut präzise arbeiten. Für die Crew sind das aber Routinearbeiten. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

In Afghanistan hat eine der sechs dort stationierten CH-53 rund 200 Flugstunden hinter sich. Wenn diese Zahl erreicht ist, muss sie zurück nach Deutschland und dort in die sogenannte „Hauptphase“, also in die Wartung. Während des sechsmonatigen Prozesses werden die Systeme und Einzelteile des Hubschraubers auf Schäden und Fehler überprüft. Dafür tauscht sie ihren Platz mit einer anderen CH-53 aus Deutschland. Doch bevor die CH-53 in die russische Antonov AN-124, eines der größten Transportflugzeuge der Welt, verladen werden kann, muss sie erst einmal auseinandergebaut werden. Dafür sind die sechs Flugwerker aus Diepholz zuständig.

Zerlegen und „zusammenklappen“: Die hohe Kunst der Flugwerker

Für den Blattabbau am Hauptrotor brauche man die meisten Männer, sagt Hauptfeldwebel Hamm. „Einer der den Blattanbauwagen führt, einen, der den Kran bedient, zwei, die die Blätter abbauen und einen, der die Kommandos gibt“, erklärt er. Es ist ein Zusammenspiel, bei dem keine Fehler erlaubt sind. Er könne sich aber auf alle seine Leute verlassen: „Jeder kennt die Handgriffe, bei uns geht nichts schief“, sagt er.

Jetzt nur eine kleine Unachtsamkeit und der Schaden wäre immens. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

„Weiter links“, ruft Hamm Oberfeldwebel Toni Wegner zu, der den Kran führt. Als der 33-Jährige den Kran zentimetergenau über dem letzten Blatt positioniert hat, hebt er es an und legt es in eine entsprechende Verladebox. So werden die Komponenten nach und nach abmontiert und die CH-53 immer schmaler. Nachdem auch die Blätter des Heckrotors abgenommen sind, wird das Heck an die Maschine geklappt. Bis zu vier Male im Jahr bauen die Instandsetzer aus Diepholz die Maschinen auseinander. Und nach nur vier Tagen haben sie es auch dieses Mal geschafft.

Für Truppführer Hauptfeldwebel Hamm und sein Team geht es zurück nach Diepholz. Für den Zusammenbau in Afghanistan ist das dreiköpfige Team um Hauptfeldwebel Martin Friedrich, ebenfalls aus Diepholz, verantwortlich. Zudem laden sie den Hubschrauber zusammen mit der siebenköpfigen russischen Besatzung der Antonov in das Flugzeug ein.

Der 14-Tonnen-Passagier

Das Bugfahrwerk des Flugzeugs ist hydraulisch abgesenkt und erleichtert so die Beladung. Die Laderampe wird ausgefahren und die CH-53 an einem Drahtseil befestigt. Langsam zieht das Seil die 14 Tonnen schwere Maschine in die Antonov hinein. „Eine Stunde brauchen wir dafür“, erklärt der 38-jährige Friedrich.

Für die Soldaten aus Diepholz stellt der Auseinanderbau kein Problem dar. Die CH-53 ist abflugbereit! Sie muss nur noch verladen werden. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Selbstverständlich könne die CH-53 auch selbst nach Masar-i Scharif fliegen, erklärt er. Allerdings hat „die CH-53 rund 200 Flugstunden bis zur nächsten Hauptphase. Und wenn sie selbst rüber fliegen würde, wäre sie mehrere Stunden, beziehungsweise mehrere Tage, unterwegs. Die reguläre Einsatzdauer würde deshalb kürzer werden“, erklärt er weiter.

Vorsichtig und langsam wird die CH-53 immer weiter in den Laderaum der Antonov gezogen. Dabei gibt die russische Besatzung in gebrochenem Englisch die Kommandos. Auf Anweisung wird das Seil angehalten, mit Handzeichen und Blicken nach rechts oder links zeigen sie den Diepholzern an, dass der Hubschrauber in die eine oder andere Richtung gelenkt werden soll. Trotz der Sprachbarriere funktioniert die Verständigung. Schließlich stoppt das Seil, die CH-53 ist im Laderaum der Antonov verstaut. Jetzt trennen nur noch 6.500 Kilometer und sieben Stunden Flugzeit Leipzig und Masar-i Scharif.

Das russische Wohnzimmer über den Wolken

Eine rund fünf Meter lange Leiter führt vom Laderaum in die „zweite Etage“ des Flugzeugs. Die Soldaten setzen sich auf die leeren Plätze. In der Antonov ist es ohrenbetäubend laut. Ohne Gehörschutz ist es kaum auszuhalten. Und selbst mit fragt man sich, wie man die kommenden sieben Stunden Flug ohne Gehörsturz überstehen soll. Die russische Besatzung kennt das und ist die immense Lautstärke gewohnt. Sie fliegen nahezu ununterbrochen Aufträge mit dem Flugzeug, so dass die Antonov quasi ihr Zuhause geworden ist. Und dementsprechend gemütlich soll es sein.

An der Seite steht eine Küchenzeile aus Holz, auf der Brot, Äpfel und Getränke abgestellt sind. Davor stehen Tüten mit Erdbeerjoghurt und Mahlzeiten, die sich die Diepholzer Soldaten und die Besatzung in einem Ofen warm machen können. Sie können zwischen Lachs und Hähnchen wählen. Lediglich den Gang zur Toilette sollte man tunlichst vermeiden. Hier sieht man, dass die Antonov schon über 30 Jahre alt ist.

Es ist mittlerweile 23 Uhr, kurz vor dem Abflug. Die Soldaten versuchen nach zehn Stunden Arbeit und trotz der Lautstärke irgendwie eine bequeme Liegeposition auf den Zwei- und Dreisitzern einzunehmen, bevor sie gegen 9 Uhr morgens in Masar-i Scharif landen und die Hubschrauber tauschen. Einer der Russen hängt seine Socken an einer angebrachten Wäscheleine im Flugzeug auf und zieht sich hinter einem Vorhang um. Im Schlafanzug kommt er wieder hervor und setzt sich auf einen freien Platz.

Seit rund 15 Minuten wackelt das Flugzeug. Ein an der Wäscheleine angehängtes Blatt Papier weht von links nach rechts. Fenster gibt es nicht. Noch immer steht die Maschine am Boden. Sie steht ganz einfach da und die Turbinen erzeugen eine so große Energie, dass das gesamte Flugzeug wackelt. Plötzlich werden alle Anwesenden in die Sitze gedrückt, der Pilot gibt Schub, das Flugzeug hebt ab.

Und auch diese Herausforderung ist geschafft. Sie passt in die Antonov AN-124 rein. Jetzt wird sie nach Masar-i Scharif geflogen. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Hohe Temperaturen und trockene Hitze: Der afghanische Herbst

Der Wind jagt den Flugwerkern die trockene Hitze ins Gesicht, es fühlt sich an wie unter einem Föhn. Schaut man in die Ferne, sieht man den feinen Sand, der in der Luft liegt. Es ist kaum möglich, nach oben zu gucken, so hell ist es und niemand ist ohne Sonnenbrille unterwegs. Die Temperaturen in Masar-i Scharif liegen selbst im September noch bei 30 Grad. Aber weder Truppführer Friedrich noch sein Team scheinen erschöpft zu sein. Sie beginnen sofort mit dem Austausch der beiden Hubschrauber.

Ein fast wolkenfreier Himmel und 30 Grad: Unter diesen Bedingungen haben die Flugwerker die Maschine wieder zusammengebaut. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Langsam rollt die CH-53 aus der Antonov auf den heißen Asphalt. Auf Gabelstaplern werden die Materialkisten aus dem Flugzeug gefahren. Nach einer Stunde ist es geschafft – und die in Afghanistan stationierte CH-53 kann eingeladen und zur Instandsetzung nach Deutschland geflogen werden. Und so wie die CH-53 in Leipzig auseinandergebaut wurde, „werden wir sie jetzt Stück für Stück wieder zusammenbauen“, sagt der Hauptfeldwebel. Ganz gleich, welches Team aus Diepholz für den Auf- oder Abbau der CH-53 verantwortlich ist, sie alle sind so gut ausgebildet, dass bei den Verlegungen keine Probleme entstehen.

Nur fünf Tage brauchen die Diepholzer, um die CH-53 wieder zusammenzubauen. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Nach und nach bringen die Flugwerker die Einzelteile wieder an der CH-53 an. – Von allen Seiten wird das Camp von einem riesigen Nichts umgeben. Überall wo man hinschaut, sieht man eine ewige Weite an trockenem Boden, auf dem nichts blüht und wächst. Lediglich nördlich des Camps gibt es ein riesiges Gebirge mit etlichen Tälern. Teils ist hier neben dem vielen Sand auch spärliches Grün zu erkennen. Fünf Tage brauchen die Flugwerker für das Zusammensetzen der CH-53. Dann kann sie über die Gebirge hinweggeflogen werden und ihren wichtigen Auftrag erfüllen.

*Namen aus Sicherheitsgründen geändert

 

Autor: Steve Reutter

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