Im Dienst der Flugsicherheit!

Im Dienst der Flugsicherheit!

Die Arbeitsgruppe für Technische Untersuchungen (AGTU) des Waffensystemunterstützungszentrum 1 ist in ihren Leistungen und Aufgaben eine einzigartige Dienststelle in der Bundeswehr. Immer dann, wenn es um die Aufklärung von technischen Ursachen nach Flugunfällen oder Zwischenfällen im Flugbetrieb geht, sind die besonderen Fähigkeiten der Erdinger Flugsicherheitsexperten gefragt. Die langjährige Erfahrung der AGTU im Bereich der bemannten und unbemannten Militärluftfahrzeugtechnik bildet dabei die Grundlage der Untersuchungen. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, machte sich vor kurzem bei einem Kurzbesuch selbst ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Dienststelle.

 

Die Qualität der Untersuchungen der AGTU wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass die jeweils in einem technischen Untersuchungsbericht (TUB) zusammengefassten Erkenntnisse militärisch und zivil justiziabel sind. Da diese Gutachten wissenschaftlich fundiert, an der Praxis orientiert sowie klar verständlich und aussagekräftig sind, genießen sie seit Jahrzehnten eine hohe Anerkennung innerhalb und außerhalb der Bundeswehr. Dabei arbeitet die AGTU nicht nur für die Luftwaffe, sondern auch für die anderen Teilstreitkräfte. So behandelten einige der zuletzt herausgegebenen Berichte Fragestellungen zu dem vor rund einem Jahr im oberbayerischen Ettal verunfallten Unterstützungshubschrauber TIGER. Derzeit wird unter „Flugunfallnummer 1401“ mit Vorrang und Akribie an der Erstellung der Berichte über den Mitte Januar verunfallten PA200 TORNADO aus Büchel gearbeitet.

 

Erste Überlegungen zur Aufstellung einer „Arbeitsgruppe für Technische Untersuchungen“ gehen auf das Jahr 1964 zurück. Zu dieser Zeit kam es überwiegend beim Waffensystem F-104G Starfighter zu einem starken Anstieg der Flugunfallzahlen. Auf Grund der Mängel, die bei der Auswertung in den technischen Flugunfalluntersuchungen deutlich wurden, forderte die damalige Luftwaffenführung die Aufstellung einer zentralen technischen Untersuchungsstelle. Im Rahmen der Umsetzung dieser Forderung wurde dann im Jahre 1965 die „Technische Untersuchungsstelle“ gegründet und dem damaligen Luftwaffenparkregiment 1 in Erding unterstellt. Die Umbenennung in „Arbeitsgruppe für Technische Untersuchungen“ erfolgte im Oktober 1973.

 

Die Abwicklung der Untersuchungen durch die AGTU erfolgt nach einer bewährten und festgelegten Systematik. Grundlage jeder Untersuchung ist ein genau definierter Auftrag. Dieser kann entweder im Auftrag des Leitenden Ingenieurs des Kommandos Unterstützungsverbände oder direkt durch dessen Abteilung Flugsicherheit in der Bundeswehr (GenFluSi) erteilt werden. Aufbauend auf das zu untersuchende Material und zusätzlicher Informationen, wie zum Beispiel der Beschreibung der Begleiterscheinung einer Störung, wird dann ein spezielles Untersuchungsprogramm erstellt. Nach Anlieferung des Untersuchungsmaterials wird dieses identifiziert, befundet und dessen Zustand dokumentiert. Um möglichst umfassende Informationen zu gewinnen, kann auch eine Erstbefundung vor Ort in Erwägung gezogen werden. Parallel dazu werden die technischen Vorschriften, Zeichnungsunterlagen sowie im Bedarfsfall Vergleichsgeräte beschafft. Nun folgen Schadspurenanalyse, technologische Prüfungen, Lastanalysen und zerstörungsfreie oder zerstörende Prüfungen. Im Rahmen der Untersuchungen werden Detailfragestellungen entwickelt, die oftmals zu Unteraufträgen bei externen Stellen führen.

 

Hervorzuheben ist hier das ebenfalls in Erding beheimatete Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB). Dort werden vor allem fraktografische, metallurgische und chemische Untersuchungen durchgeführt. Auch bei der Diskussion von Fragestellungen, die innovative Materialien und Techniken betreffen, ist die Kooperation mit dem WIWeB vorbildlich. Gerade durch die örtliche Nähe ist diese Zusammenarbeit von unschätzbarem Wert. Exemplarisch sei hier die Entwicklung von Arbeitsschutzverfahren beim Umgang mit Kohlenfaserverbundwerkstoffen (CFK) nach Flugunfällen genannt, die gemeinsam durch die AGTU und das WIWeB auf höchstem Niveau durchgeführt wurde. Wie brisant das Thema gesundheitsgefährdender Faserteilchen ist, und wie gut es dank der gemeinsamen Forschungen und Entwicklungen beherrscht werden kann, zeigte sich bei dem Flugunfall des UH TIGER, dessen Zelle zu einem Großteil aus diesen modernen Materialien besteht. Zur Erarbeitung der Untersuchungsergebnisse werden im Bedarfsfall ebenso die Fachkenntnisse von Dienststellen innerhalb der Bundeswehr, externer Behörden im Rahmen der Amtshilfe und der Industrie genutzt. Bei der Abschätzung von Gewährleistungsansprüchen der Bundeswehr gegenüber der Industrie erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Die eigenen Untersuchungsergebnisse werden dann zusammen mit den externen Teilberichten ausgewertet und in einem abschließenden Untersuchungsbericht zusammengefasst. Diese Berichte sind nach einem festgelegten Schema in Anlehnung an den ICAO Annex 13 aufgebaut und bestehen aus einem Textteil und der dazugehörigen Bilddokumentation.

 

Die breit gefächerten Fachkenntnisse der AGTU beschränken sich nicht nur auf die Untersuchung von Flugunfällen oder Zwischenfällen. Zu ihren Aufgaben gehört ebenso das Erkennen von konstruktionsbedingten Mängeln oder während der Nutzungsdauer entstehende Schäden an Luftfahrzeugen und allen zugehörigen Baugruppen, wie etwa Rettungs- und Sicherheitssysteme oder Sonderwerkzeuge. Zum Beseitigen derartiger Mängel beteiligt sich die AGTU auch an der Erarbeitung und der Bewertung von Änderungsvorschlägen. Daneben sind die Mitarbeiter in die Entwicklung von Programmen zur Lebensdauerverlängerung von Luftfahrzeugen und ihren Baugruppen involviert. Die Arbeitsergebnisse der AGTU tragen regelmäßig zur Entscheidungsfindung von übergeordneten Dienststellen bei der Lösung technischer Probleme bei. Sie sind in den meisten Fällen bestimmend für Art und Umfang weiterer Maßnahmen, die bis hin zur Empfehlung einer Sperrung eines Luftfahrzeuges führen können. Um all die gewonnenen Erkenntnisse für die Praxis verfügbar zu machen, wird Lehr- und Informationsmaterial für verschiedene Medien erstellt und über die Untersuchungsergebnisse vor nationalen und internationalen Fachgremien vorgetragen.

 

Das weitverzweigte Aufgabengebiet wird momentan von zwei Offizieren, drei zivilen Ingenieuren und einer Bürokraft abgedeckt. Zur Sicherstellung ihrer Aufgaben verfügt die AGTU neben einer bundeswehrspezifischen mechanischen und elektrischen Werkstattausstattung über optische Geräte und Messmittel zur Befundung des Schadmaterials. Damit werden zur jeweiligen Thematik individuelle Schadenshypothesen entwickelt und auch, falls erforderlich, im Nachstellversuch verifiziert. Dass die Tätigkeit in der AGTU eine ständige Bereitschaft zur Weiterbildung wie etwa bei universitären Einrichtungen, dem Technischen Überwachungsverein (TÜV) und der Industrie fordert, versteht sich von selbst. Die AGTU ist in ihrer vollen Stärke für die Durchführung von 40 bis 50 Untersuchungen jährlich ausgelegt. Bei der gegenwärtigen Kapazität und Komplexität der Aufträge werden momentan bis zu 25 Untersuchungen größeren und kleineren Umfangs gleichzeitig bearbeitet. Dies ist möglich, weil während der Durchführung von größeren, komplexeren Aufträgen Wartezeiten auftreten, in denen Aufträge geringeren Umfangs oder niedrigerer Priorität abgearbeitet werden.

 

Sowohl die Einführung neuer bemannter Waffensysteme, wie z. B. des UH TIGER und des NH-90, als auch durch die Entwicklung und vermehrte Nutzung von unbemannten Luftfahrzeugen, muss auch in Zukunft das Auftreten technischer Störungen stets in Erwägung gezogen werden. Durch die Verlängerung der Nutzungszeiten werden weiterhin die Waffensysteme MK41 SEA KING, C-160 TRANSALL und CH-53 einen Schwerpunkt der Arbeit darstellen. Die AGTU wird somit in der Rolle des Dienstleisters für die fliegenden Verbände und die Kommandobehörden, die den Flugbetrieb der Bundeswehr sicherstellen, auch in Zukunft einen großen Beitrag zur Gewährleistung der Flugsicherheit leisten können.

 

Autor: Helmut Hacker/Luftwaffe
Foto: AGTU/Luftwaffe

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