Keine Krisendiplomatie ohne Luftwaffe

Keine Krisendiplomatie ohne Luftwaffe

Frank-Walter Steinmeier steht im Besprechungsraum der Regierungsmaschine „Theodor Heuss“ der Flugbereitschaft der Luftwaffe und atmet schwer durch. Erleichterung ist ihm anzumerken. Während im Gang und auf den anderen Plätzen in der Maschine das vor einem Abflug übliche Gewusel herrscht, ist der an diesem Tag noch amtierende Außenminister sichtlich erleichtert. „Willkommen an Bord“, begrüßt ihn der Kommandant des Flugzeuges, Oberstleutnant Michael Weyerer.

 

Weyerer ist einer von zwölf Kommandanten der Flugbereitschaft. Sie stellen gemeinsam mit den anderen Angehörigen der Dienststelle sicher, dass unter anderem die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Bundespräsident sicher zu ihren Terminen weltweit reisen können.

 

„Für mich ist es immer ein Stück wie nach Hause kommen, wenn ich nach einem langen Tag irgendwo in der Welt wieder in unsere Maschine steige“, so Frank-Walter Steinmeier, der den Service der Flugbereitschaft zukünftig nicht mehr als Außenminister, sondern als Bundespräsident nutzen wird. Diesmal geht es von Berlin nach Bogota in Kolumbien und wieder zurück. In zwei Tagen fast 19.000 Kilometer fliegen und mehr als elf Stunden Flugzeit pro Strecke.

 

Er ist von einer langen Verbundenheit mit der Luftwaffe geprägt. Der Obergefreite Steinmeier war in Diepholz stationiert. „Die Transall-Flugzeuge der Luftwaffe, die mich heute manchmal nach Afghanistan fliegen, wurden, als ich Obergefreiter war, gerade in die Bundeswehr eingeführt. Wir mussten manchmal bei Erprobungsflügen mit. Wahrscheinlich als Ballast. Na ja, das zumindest hat sich ja für mich geändert“, erzählt der ehemalige Außenminister mit einem Augenzwinkern.

Zusammen mit seinem Team plant Weyerer den kompletten Flug. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

Hinter Weyerer und seiner Mannschaft liegen schon einige Stunden Flugvorbereitung und Organisation bevor der VIP dann auch an Bord kommt. „Eigentlich komme ich aus dem Lufttransportgeschwader 61 in Penzing. Da habe ich die Grundlagen der Transportfliegerei gelernt“, erzählt der erfahrene Pilot. Seit mehr als zwölf Jahren ist er nun schon bei der Flugbereitschaft. Um die VIP-Flieger des Typs Airbus A 340 steuern zu dürfen, musste er eine Ausbildung bei der Lufthansa durchlaufen. Aber mit den Piloten der zivilen Gesellschaft möchte er nicht tauschen, auch wenn die wesentlich mehr Geld bekommen. „Als Pilot einer Airline fliege ich immer die gleichen Strecken. Wir aber fliegen immer andere Ziele an, das finde ich sehr reizvoll“, so Weyerer.

 

Nicht der einzige Unterschied zwischen militärischem und zivilem Flugdienst. „Oft wird über uns berichtet, wenn wir mit einem unserer Gäste irgendwo in der Welt stehen bleiben und nicht wie geplant fliegen können. Aber erstens passiert das nur sehr selten und zum zweiten haben wir nicht die Möglichkeit, schnell mal den Flieger zu tauschen. Wir arbeiten zwar mit Lufthansatechnik eng zusammen, aber extra Flieger haben wir nicht überall dort, wo wir hinfliegen“, erklärt der Pilot. Da zivile Airlines ein festes Streckennetz bedienen, haben sie auch die Möglichkeit, an ihren Zielorten auf dort fest stationierte Techniker und Ersatzteile bis hin zu Ersatzmaschinen zurückzugreifen.

 

Der normale Passagier bekommt meist gar nichts von irgendwelchen Problemen mit. „Wir aber“, so Weyerer, „wir nehmen an Bord zwei Techniker überall dorthin mit, wohin wir fliegen und daneben ist eine Bundeskanzlerin, die irgendwo in der Welt stehen bleibt, für Medien interessanter als normale Passagiere wie ich und du.“ Neben der hohen zeitlichen Belastung für das Personal, eine technische Herausforderung für die Spezialisten.

Vor dem Start werden nochmal alle Instrumente gecheckt. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

Einer von ihnen ist Thomas Müller, 43 Jahre alt und Stabsfeldwebel. Er hat seine gesamte militärische Karriere bei der Flugbereitschaft als Techniker verbracht und ist einer von zwei Fachmännern an Bord. Ein Mechaniker und ein Elektriker fliegen immer mit, egal, wohin die Reise geht. „Meine Erfahrung hilft mir bei meiner Arbeit sehr. Ohne die wären viele der immer mal wieder auftretenden Herausforderungen gar nicht zu meistern“, erzählt er während des langen Fluges zwischen Bogota und Berlin. „Wenn wir in der Luft sind, habe ich auch mal Zeit zum Durchatmen. Aber vor und nach dem Flug ist schon mal Stress angesagt.“

 

Das dies wirklich hilfreich ist, war auch bei diesem Flug wieder zu sehen. Der Computer zeigte an, dass der Temperaturanzeiger für einen Tank nicht funktionierte. Ein Ersatzteil wurde bestellt und noch vor dem eigentlichen Abflug aus Berlin angeliefert. Da es sich nicht um ein flugentscheidendes Ersatzteil handelte und die Vorschrift es durchaus zuließ, mit diesem Fehler zu fliegen, entschied Stabsfeldwebel Müller in Absprache mit dem Kommandanten, dass man sich am Boden in Bogota um das Problem kümmern wird.

Stabsfeldwebel Thomas Müller ist einer der Techniker, die immer an Bord der Maschine sind. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

Bevor aber überhaupt einer der beiden A 340 der Flugbereitschaft abheben kann, ist die Technik des Verbandes gefragt. Die Bodenmannschaft prüft den Zustand der Maschine. Jedes Flugzeug der Bundeswehr hat ein Bordbuch. In ihm wird jedes Detail des Flugzeuges dokumentiert. Auch Defekte und Reparaturen. Frühere Fehler und der aktuelle Sachstand können so vor jeder Klarmeldung überprüft werden. Danach wird der anstehende Flug besprochen. Hier kommen alle Einzelheiten der Flugroute und des Einsatzes zur Sprache. Während dessen bereitet die technische Gruppe den Flieger vor und Müller hält Rücksprache mit dem technischen Wart der Bodenmannschaft. Ist dann alles in Ordnung, unterschreibt er das Technical Log Book (TLB). Er übergibt mit seiner Unterschrift ein flugklares Luftfahrzeug an den Kommandanten.

Vor dem Flug inspiziert Stabsfeldwebel Müller das Flugzeug. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

„Was dann ansteht, ist die sogenannte Vor-Flug-Kontrolle“, erklärt der Stabsfeldwebel, „ich kontrolliere nochmal alles, laufe um die Maschine und sehe mir die Hydraulik, den Öl- und Reifendruck sowie die Bremsen an. Dann entscheide ich über die Freigabe des Flugzeuges und melde das an den Kommandanten.“ Erst danach kann geflogen werden, eine große Verantwortung die Stabsfeldwebel Müller trägt. „Mir ist klar, dass wenn ich Nein sage auch ein VIP am Boden bleibt und wir nicht fliegen. Aber die Sicherheit geht absolut vor.“

Nach dem Check meldet Müller dem Piloten das Flugzeug startklar. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

Nicht nur vor dem Flug ist Müller gefragt, er ist auch am Zielort der letzte, der die Maschine verlässt. „Wenn wir angekommen sind, wird zunächst der Computer befragt und ein Nach-Flug-Bericht ausgewertet. In ihm werden alle Fehlermeldungen, die während eines Fluges auftreten, zusammengefasst“, so Stabsfeldwebel Müller. „Nicht jeder Fehler wird dem Kommandanten gemeldet. Ich entscheide, was wichtig ist und was wirklich behoben und besprochen werden muss.“ Danach muss die Maschine auch wieder betankt und der Ölstand korrigiert werden. Dafür wird die Tankmenge eingestellt und der Computer verteilt dann die Spritmenge auf die unterschiedlichen Tanks des Flugzeuges, die sich in den Flügeln und im Rumpf befinden.

 

In Bogota angekommen, wird der fehlerhafte Computer, der für die Kontrolle der Sprittemperatur zuständig ist dann doch ausgetauscht. Dafür begibt sich Müller in den Bauch des Airbus A 340 und wechselt den kompletten Computer. Aber der Fehler wird auch dadurch nicht behoben. „Leider war der Computer nicht Grund der Fehlermeldung. Das muss nun doch nach Rückkehr am Boden in Köln überprüft werden“, erläutert Müller. „Aber kein Problem, wir können auch mit der Fehlermeldung noch sicher fliegen.“ Und so kann er nach einem langen Flug und der ganzen Arbeit endlich den Flieger abschließen und ins Hotel fahren. Am nächsten Tag ist er wieder der erste, der das Flugzeug öffnet und kontrollieren muss.

Sofort nach dem Flug tauscht Thomas Müller das defekte Teil aus. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

In der Zwischenzeit sind die Gäste an Bord mit Essen versorgt worden und auch der noch amtierende Außenminister Steinmeier findet nun Zeit, um mit dem einen oder anderen an Bord zu sprechen. „Die Krisen unserer Welt lassen oft wenig Zeit, um langfristig Termine zu planen. Seit den Problemen in Libyen und der Ukraine sind die letzten drei Jahre oft von ad hoc Entscheidungen zu Konferenzen oder wichtigen Treffen gekennzeichnet. Unsere Rolle könnten wir in der Welt gar nicht wahrnehmen, wenn uns keine Luftwaffe, keine Flugbereitschaft zur Verfügung stehen würde, die uns dorthin bringt, wohin wir müssen.“ Steinmeier schätzt die Annehmlichkeiten im A 340, dem Flaggschiff der Flugbereitschaft, und kennt nach sieben Jahren im Amt jeden der Soldaten, die ihn begleiten. Auch als Bundespräsident wird er sich auf die Flugbereitschaft verlassen können. Vielleicht nicht so häufig wie im letzten Amt, dafür aber wieder sicher und angenehm.

Der Besprechungsraum im Inneren der „Theodor Heuss“. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

Autor: Matthias Boehnk/Luftwaffe

div#stuning-header .dfd-stuning-header-bg-container {background-size: initial;background-position: top center;background-attachment: initial;background-repeat: initial;}#stuning-header div.page-title-inner {min-height: 650px;}
X
X