Zahlreiche Zuhörer aus Politik, Militär und Verteidigungsindustrie schenkten Oberst i.G. Frank Gräfe an diesem Dienstagabend ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe e.V. (IDLw e.V.) hatte den Abteilungsleiter J3/7/9 für einen Vortrag zum Thema Militärische Evakuierungsoperationen gewinnen können. Nach einer kurzen Vorstellung durch den Vizepräsidenten der Gemeinschaft, Oberst i.G. Olaf von Roeder war dann auch der Startschuss für einen äußerst vielversprechenden Abend gegeben.
Anhand von authentischen Beispielen, die der Vortragende in seiner Verwendung im Einsatzführungskommando aktiv geplant und miterlebt hatte, erklärte Gräfe die Rahmenbedingungen, unter denen eine Evakuierung deutscher Staatsbürger verläuft. „Unser Staat muss auf alle möglichen Situationen zum Schutz DEU Staatsangehöriger im Ausland reagieren können“, erläuterte er. Art und Umfang der Reaktion hängen immer von der jeweiligen Sicherheitslage ab. Bei geringer Bedrohung erfolge eine Schnelle Luftabholung in Unterstützung der Diplomatischen Evakuierung des Auswärtigen Amts. Dies sei beispielsweise im Sommer 2016 im Südsudan der Fall gewesen.
Nachdem es in der südsudanesische Hauptstadt Juba zu schweren Unruhen gekommen war, wurde das Einsatzführungskommando am 10. Juli 2016 mit der Unterstützung einer Diplomatischen Evakuierung des Auswärtigen Amts beauftragt. Schon am Morgen des 13. Juli konnte mit den Flügen vor Ort begonnen werden. Dabei wurde auf Lufttransportflugzeuge der Luftwaffe vom Typ Transall C-160 zurückgegriffen. Das am schnellsten verfügbare Luftfahrzeug befand sich zum damaligen Zeitpunkt auf dem Lufttransportstützpunkt Niamey in Niger. Zwei weitere C-160 wurden aus Deutschland zugeführt. Alle Transall waren mit dem Erweiterten Selbstschutz (ESS) ausgestattet. Dieses System leitet u.a. Abwehrmaßnahmen bei Beschuss durch Flugabwehrraketen ein. Die einzelnen Flüge wurden jeweils von Angehörigen des Krisenunterstützungsteams (KUT) des Einsatzführungskommandos begleitet, um die Abholung in Juba in Unterstützung der DEU Auslandsvertretung zu organisieren, Passagiere zu betreuen sowie die medizinische Versorgung der an Bord befindlichen verwundeten Soldaten der Vereinten Nationen sicherzustellen. Insgesamt wurden vier Flüge für über 150 zu Evakuierende durchgeführt, bei denen neben über 30 deutschen Staatsangehörigen auch Staatsbürger von über 30 anderen Staaten nach Uganda ausgeflogen wurden, darunter befanden sich auch drei verletzte Soldaten der UN-Mission UNMISS. Spätestens jetzt war jedem Zuhörer in der Landesvertretung Sachsen Anhalt bewusst, wie wichtig es ist, bei einem Aufenthalt in einem krisengeschüttelten Land seine Erreichbarkeit beim Auswärtigen Amt zu hinterlegen.
Gräfe erläuterte, dass es sich bei dieser Schnellen Abholung nicht um einen mandatierungspflichtigen Einsatz im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetz gehandelt habe, da keine Beteiligung an Kampfhandlungen durch deutsche Soldatinnen und Soldaten erwartet wurde. „Erst mit steigender Bedrohungslage wechselt schließlich die Federführung und Verantwortung vom Auswärtigen Amt zum BMVg, und die Bundeswehr führt eine militärische Evakuierung durch“, so Gräfe. Im Übrigen gelte bei diesen Einsätzen zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen der §5 Parlamentsbeteiligungsgesetz.
Entscheidend für den Erfolg einer Evakuierung ist immer die schnelle Verfügbarkeit von Evakuierungsmitteln, insbesondere Lufttransport. Wichtig sei auch, dass dieser gegen Bedrohung geschützt werde, wie die C-160 durch den ESS. Deswegen ist zur Durchführung zukünftiger Evakuierungsoperationen die Beschaffung von C-130J HERCULES wichtig. „Die Luftwaffe spielt mit ihren schnell verfügbaren und flexibel weltweit einsetzbaren Transportflugzeugen bei der Abholung und insbesondere bei der Evakuierung unter Gefahr eine ganz entscheidende Rolle“, so Gräfe.
Autor: Dr. Thorsten Weber
