Schleudergang für künftige Piloten

Schleudergang für künftige Piloten

Fertigmachen zum Simulatorflug: Der angehende Jetpilot Leutnant Christoph W. steigt nicht in ein Kampfflugzeug, sondern in eine Zentrifuge. Hier üben die künftigen Jetpiloten der Luftwaffe, mit den Fliehkräften umzugehen. Im Tornado ist ein Kampfpilot während des Luftkampfes dem rund Siebenfachen der Erdanziehungskraft ausgesetzt.

 

Das Flugphysiologische Trainingszentrum Königsbrück ist Teil des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe. 50 Mitarbeiter, darunter erfahrene Piloten, Flugmediziner, Psychologen und Sportlehrer, kümmern sich hier um eine perfekte Ausbildung für die angehenden Jetpiloten. Zur Ausstattung des Zentrums gehören neben der Zentrifuge auch Simulatoren wie eine Unterdruckkammer und ein Desorientierungstrainer. In Königsbrück werden alle flugphysiologischen Lehrgänge der Bundeswehr durchgeführt. Auch Piloten anderer Nationen, etwa aus Österreich, der Schweiz und Italien, nutzen die Anlagen der einzigen Luftwaffen-Dienststelle in Sachsen.

 

Auf die Hose kommt es an

Doch bevor sich Christoph W. in die Zentrifuge begibt, heißt es erstmal „Hosen an“. Denn unter dem Einfluss der Gravitationskräfte sackt das Blut in die unteren Körperpartien. Dabei kann man bewusstlos werden. Wie man das vermeidet, trainieren die angehenden Piloten in Königsbrück mit entsprechender Muskelanspannung und Pressatmung unter sicheren Bedingungen in der Zentrifuge. Ein Schutzanzug, die sogenannte Druck-Hose, unterstützt den Piloten und erzeugt einen Gegendruck, damit das Blut nicht im unteren Körper versackt. Christoph W. ist seit 2010 Soldat. Der 25-Jährige dient gerade beim Taktischen Luftwaffengeschwader 74. Im Oktober 2016 hat er sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik abgeschlossen und wird seitdem zum Piloten ausgebildet. Die Zentrifuge in Königsbrück ist ein 450 Quadratmeter großer Raum, in dem sich die Gondel an einem Arm im Kreis bewegt und in wenigen Sekunden auf 70 bis 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt werden kann. Bis zum Siebenfachen der Erdanziehungskraft sind die angehenden Piloten in der Zentrifuge ausgesetzt. Der Simulator kann innerhalb von 1,5 Sekunden maximal auf das Neunfache der sogenannten G-Kraft beschleunigen.

In der Gondel müssen die Piloten auch unter großer körperlicher Belastung einsatzfähig bleiben. (Quelle: Luftwaffe/Ahrendt)

 

Immer unter Beobachtung

Leutnant Christoph W. ist startklar: Das Innere der Gondel ist einem Eurofighter-Cockpit nachgebildet. Er sitzt zum ersten Mal in einem Simulator. Die Piloten trainieren unter anderem eine besondere Atemtechnik und wie man die Muskeln anspannt, um der „G-Belastung“ durch die erhöhte Erdanziehungskraft widerstehen zu können und trotzdem die Kontrolle über ihre Maschine nicht zu verlieren. Während des Testfluges in der Zentrifuge werden die angehenden Piloten nicht nur per Kamera, sondern auch medizinisch überwacht: Die Herzfrequenz und den Herzrhythmus zeichnet ein EKG-Gerät auf. Damit ein möglichst realistisches Bild beim Fliegen entsteht, hat der Simulator statt der Cockpit-Scheiben einen 120-Grad-Bildschirm.

 

Vom Ausbilder überwacht (Quelle: Luftwaffe/Ahrendt)

Piloten auf dem Prüfstand

Dann geht es los: Im Steuerraum verfolgen die Ausbilder genau, wie sich die angehenden Piloten in der Zentrifuge verhalten. Einem vom Ausbilder gesteuerten Zielflugzeug in einer Landschaft soll Christoph W. nun aktiv hinterherfliegen. Alle angehenden Bundeswehr-Piloten, die später in den USA und in Deutschland zum Kampfpiloten ausgebildet werden, müssen hier ihre G-Toleranz nachweisen. Es wird gecheckt, ob sie gesund und trainiert genug sind, Gravitationskräften, die siebenmal größer als auf der Erde sind, zu widerstehen. Die Zentrifuge ist einzigartig in Deutschland. Einen Beschleunigungssimulator mit einer solchen Leistungsfähigkeit gibt es nirgendwo sonst in Deutschland und nur ein paar Mal in der Welt.

 

Außerhalb der Zentrifuge kann Leutnant Christoph W. seine Mimik noch problemlos kontrollieren. (Quelle: Luftwaffe/Ahrendt)

Leutnant Christoph W. hat bisher nur in einem Jet gesessen, der ausgeschaltet am Boden war. Wenn die angehenden Piloten das erste Mal in die Zentrifuge steigen, wird am Anfang die natürliche G-Toleranz getestet. Das heißt, die Mediziner checken, wie gut der untrainierte Körper ohne angespannte Muskeln individuell mit der besonderen Belastung klar kommt.

Die Ausbilder werten Schritt für Schritt jeden Punkt des simulierten Fluges aus. (Quelle: Luftwaffe/Ahrendt)

 

Fitness fürs Cockpit

Nach dem ersten Testflug gibt es Tipps und Hinweise vom Ausbilder. Das Training in Königsbrück gehört auch zu den Anforderungen für NATO-Kampfpiloten. Eine Woche hat Christoph W. im sächsischen Königsbrück verbracht, um in der Zentrifuge zu trainieren. „Ich hab mich langsam herangetastet und habe geübt, wie ich den Körper anspannen muss, um den Beschleunigungskräften zu widerstehen. Von den ‚alten Hasen‘ in Sachen Fliegen haben wir Hinweise für das richtige Kraftsporttraining bekommen“, erzählt er. In den Fitnessräumen der Kaserne und auch an seinem Heimatstandort ist er ein häufiger Gast. Geschafft! Erstmal tief durchatmen! Ausgepowert, aber mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen steigt Christoph W. aus dem Flugsimulator. Fast 2.000 Lehrgangsteilnehmer kommen jedes Jahr in das Zentrum nach Königsbrück. Die Ausbildung ist zwingend vorgeschrieben für Jet-Piloten der Luftwaffe, sie ist lizenzrelevant und muss aller vier Jahre erneuert werden. Für Leutnant Christoph W. geht es jetzt als nächstes nach Goodyear in der Nähe von Phoenix. Dort wird er drei Monate lang die Grundlagen des Fliegens lernen.

 

Autor: Cornelia Riedel/Luftwaffe

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