Servus Transall – Penzinger Geschwader meldet sich ab

Servus Transall – Penzinger Geschwader meldet sich ab

Von den Alpen weht ein eisiger Wind herüber und der berühmte Panoramablick des Fliegerhorstes verschwindet in dichten Schneewolken. Im Hangar 7 treten die letzten 362 Angehörigen des Lufttransportgeschwaders 61 an. Kurz darauf ist der älteste fliegende Einsatzverband der Luftwaffe mit großer Tradition nur noch Geschichte.

Letzter Überflug zum Abschiedsappell. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Auf dem Rollfeld steht das Flaggschiff des Verbandes: die Transall 51+01, die Jubiläumsmaschine im Retrodesign, liebevoll „Silberne Gams“ genannt. 350 Ehrengäste, viele Angehörige und zahlreiche Journalisten sind bei dem offiziellen Abschiedsappell dabei. Nach dem Einmarsch der Ehrenformation würdigt der Kommandeur Fliegende Verbände, Generalmajor Günter Katz, die „langjährige gute und professionelle Arbeit“ mit dem gesamten Verband und mit Kommodore Oberst Daniel Draken: „Es gab kaum einen Einsatz, an dem das Lufttransportgeschwader 61 nicht beteiligt war – von Somalia, über den Balkan bis nach Afghanistan und – ganz aktuell – in Mali….Ich übertreibe nicht…., dass Sie eine der wesentlichen Stützen des Lufttransportes in den vergangenen Jahrzehnten waren.“ Am Ende des Appells wird die Truppenfahne des Luftwaffengeschwaders für immer eingerollt. Das LTG 61 ist nun offiziell außer Dienst gestellt.

Stabshauptmann Peter Dörnach an seinem Arbeitsplatz. (Quelle: Luftwaffe/Toni Dahmen)

Bis auf ein 150 Mann starkes Nachkommando werden alle Soldaten den Fliegerhorst bis Ende Dezember verlassen. Auch der Kommodore, Oberst Daniel Draken, sitzt schon auf gepackten Koffern. Der 50-Jährige wird ab dem 1. Januar 2018 Referatsleiter im Kommando Luftwaffe in Berlin. Für ihn geht damit eine Traumverwendung zu Ende. „Wenn der Flugbetrieb hier eingestellt wird, bleibt ein Stück meines Herzens hier“, sagt der Transall-Pilot mit AWACS-Erfahrung ein wenig wehmütig. „Die Transall ist eine Lebensphilosophie. Sie hat 30 Jahre meines fliegerischen Lebens begeistert und geprägt. Da fühlt man das Fliegen noch und ist nicht nur Systemadministrator.“ Aber er fügt auch hinzu: „Mittlerweile kommt sie an ihre Leistungsgrenzen. Deshalb geht dieser Flugzeugtyp nach einer großartigen Erfolgsgeschichte in Rente. Das ist rational richtig.“ Nächste Woche werden die letzten von einst 32 Maschinen Penzing verlassen. Zwei Flugzeuge gehen an das Lufttransportgeschwader 63 in Hohn, wo die letzten Transall der Luftwaffe stationiert sein werden. Die „Silberne Gams“ wird der Kommodore nach Sachsen-Anhalt überführen. Dort bekommt sie einen Ehrenplatz im Luftfahrtmuseum Wernigerode. Seit 1972 die erste Transall von Penzing aus startete, wurden vom bayerischen Fliegerhorst aus 340.536 Flugstunden absolviert. Das entspricht 3.874 Flügen um die Erde. Crews aus Penzing halfen im Inland bei der großen deutschen Sturmflut 1961, bei den verheerenden Waldbränden 1975 in Niedersachsen, oder bei der Hochwasserkatastrophe an der Elbe. Die meisten Flugstunden wurden aber bei internationalen humanitären Einsätzen im Ausland erreicht. Penzinger Soldaten versorgten hungernde Menschen in Afrika, Erdbebenopfer im Iran oder Kranke bei der Ebola-Epidemie.

Hauptfeldwebel Sina Kalchschmid im Gefechtsstand des LTG 61. (Quelle: Luftwaffe/Toni Dahmen)

Einer der dienstältesten Piloten des Geschwaders ist Stabshauptmann Peter Dörnach. Schon mit 16 Jahren lernte er Flugzeugmechaniker an der F-104 Starfighter in Memmingen. Danach wurde er Soldat, Fluglehrer, zuletzt Kommandant der „Silbernen Gams“ am Tag der Bundeswehr. 8.150 Flugstunden brachten ihn Einsätze auf der ganzen Welt. „Mein haarigster Einsatz war die Operation Pegasus in Libyen. Da haben wir Zivilisten evakuiert. Meine schönste Mission ging mit Hilfsgütern nach St. Marten in die Karibik. Und die besten Flugtrainings haben wir in Goose Bay in Kanada gehabt. – Wir Fliegersleute hatten es überall gut, selbst in Afghanistan!“ Der 56-Jährige hat noch viel Hand- und Kopfarbeit wie Astronavigation auf der Transall kennengelernt. „Ein Taschenrechner war damals das modernste Gerät an Bord“, erzählt er schmunzelnd und fügt hinzu:“ Die Transall ist gutmütig, robust und verzeiht kleine Fehler. Der Erfolg ist aber von der gesamten Crew abhängig. Eine Transall funktioniert nicht mit einer `one-man-show‘! Die Teamarbeit in der Maschine hat auch das gute Miteinander in unserem Verband geprägt.“ Das bestätigt auch Oberstabsfeldwebel Harald Reitmeir, noch Leiter der Arbeitsplanung. Der 53-jährige Soldat aus Augsburg hatte seinen Job von der Pike auf in Penzing gelernt. 13 Jahre lang war er in der Wartungsstaffel, dann im Stab Technik, dann wurde er als Leiter Arbeitsplanung für alle Transall-Flugzeuge in der Luftwaffe verantwortlich. 90 Maschinen waren es einmal, jetzt sind es nur noch 29.

Bürgermeister Johannes Erhard hofft auf schnelle Entscheidungen. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Der Oberstabsfeldwebel unterstützte Hilfsflüge nach Afrika, Erdbebeneinsätze, Missionen in Afghanistan, Äthiopien, den USA oder im Kosovo. „Besonders als Wart war man manchmal zwei bis drei Wochen im Monat unterwegs. Da baut man schon eine besondere Beziehung auf. Und es tut jedes Mal weh, wenn wieder eine Maschine verschrottet wird.“ Und ergänzt: „Der Transall-Bereich in der Luftwaffe ist sehr familiär. Gerade in der Technik gibt es kurze Dienstwege, flache Hierarchien, ein freundschaftliches und enges Miteinander. Das ist gerade für Einsätze sehr wichtig!“ Auf gute Teamarbeit ist auch Hauptfeldwebel Sina Kalchschmid angewiesen. Die 33-Jährige steuert im Gefechtsstand, der Operationszentrale des Geschwaders, den Flugbetrieb. „Wir leisten hier in Penzing noch volle Arbeit. Aber es bricht immer mehr Personal weg. Da muss viel improvisiert werden, aber bei uns arbeiten viele Dienststellen Hand-in-Hand, deshalb klappt es trotzdem.“ Ab Januar arbeitet die Soldatin beim Hubschraubergeschwader 64 in Laupheim. „Da fange ich wieder von null an. Die Arbeit wird komplett anders. Ich muss mir ’meinen eigenen Stab‘ neu aufbauen und mir meine Position neu erarbeiten. Außerdem werde ich das erste Mal pendeln. Ich verliere durch die Schließung nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern auch ein Stück Heimat. Penzing ist ein wunderschöner Standort, der aufgegeben wird.“ Doch der Fliegerhorst Penzing ist nicht zukunftsfähig. Er ist einfach zu klein, die Landebahn zu kurz, zu schmal, nicht ausbaufähig, weil das LTG 61 zu nah am Örtchen Penzing liegt und quasi zugebaut wurde. Der Flugplatz und die Kasernenanlage wurden 1935/36 errichtet und sind 272 Hektar groß. 80 Prozent der Gebäude stehen unter Denkmalschutz.

Vom Flugplatz in den Bunker: Oberleutnant Saskia Schmitz wechselt zum Systemzentrum Avionik nach Igling. (Quelle: Luftwaffe/Toni Dahmen)

Das Gelände bleibt trotz des Abschieds des Geschwaders vorerst noch Eigentum der Bundeswehr. „….der Fortbestand der Liegenschaft wird erneut einer eingehenden Prüfung unterzogen und neu bewertet“, so Generalmajor Katz beim Abschiedsappell und fährt fort:„Bis eine endgültige Entscheidung zu den Liegenschaften gefallen ist, geht die Anlage nach der Auflösung des LTG 61 in eine Stillstandswartung über“. Der Auflösungsbeschluss des Geschwaders war 2011 natürlich ein Schock für die Gemeinde Penzing. „Wir hatten wegen dem Fluglärm sogar eine Schule verlegt, den Kirchturm eingekürzt und Baugebiete stark eingegrenzt“, erzählt Bürgermeister Johannes Erhard. Aber die Gemeinde hatte genug Zeit den Abzug einzuplanen. „Wichtig ist jetzt nur, dass es keinen langen Leerstand gibt. Und das Allerwichtigste: Dass es bald eine definitive Entscheidung gibt, was mit der Kaserne und dem Flugplatz passiert.“ Für Oberleutnant Saskia Schmitz fällt der Abschiedsappell mit ihrem letzten Arbeitstag in Penzing zusammen. Der Technische Offizier und Kopf der Wartungstruppe hat Mathematical Engineering studiert. Jetzt geht die 27-Jährige mit gemischten Gefühlen als Leiterin im entwicklungstechnischen Bereich zum Instandsetzungszentrum 13 nach Igling bei Landsberg am Lech. „Penzing war für mich ein wichtiger Lebensabschnitt. Ich habe hier nicht nur technisch, sondern auch menschlich sehr viel gelernt – von meinem Chef und von meinen Kameraden. Aber ich freue mich auch auf die neuen Herausforderungen.“ Das sieht auch Hauptmann Peter Steinfurth so. Der Flugverkehrskontrolloffizier arbeitet – noch – auf dem Tower mit „dem schönsten Ausblick der Republik“. Der Offizier ist auch stellvertretender Zugführer der Flugsicherung und hat in Penzing das gesamte Handwerkszeug für seinen Job gelernt, fachlich und truppendienstlich. „Als ich nach Penzing kam, stand die ’Platte‘ noch voll mit Transall, auf der anderen Seite die Hubschrauber. Das war damals ganz schön fordernd für die Lotsen. In den letzten Jahren verschwand eine Maschine nach der anderen. Das war erschreckend schnell, und das tat schon weh!“ Sein neuer Arbeitsplatz wir ab Januar der Ausweichflughafen Lechfeld sein.

Dass der Wechsel für die meisten Soldaten und Angestellten so reibungslos funktioniert, dafür sind viele verantwortlich.„Uns war wichtig, dass die Menschen, die hier arbeiten gut und sozialverträglich unterkommen. Und wir haben es zusammen mit dem Bundesamt für Personalmanagement, dem Luftwaffentruppenkommando, anderen Verbänden und dem „Sozialen Netz Penzing“ geschafft, dass 95 Prozent der Mitarbeiter zufrieden und ein Jahr vor Ende ihres Dienstes hier in Penzing in einer Nachfolgeverwendung eingeplant waren“, erklärt Kommodore Oberst Daniel Draken. Viel dazu beigetragen, dass der Übergang klappt, hat auch Hauptmann Marco Hauff. Der 40-jährige Personaloffizier hat schon mehrere „Auflösungs-Missionen“ gemeistert. Dazu gehörten auch Penzinger Einrichtungen wie die Sicherungsstaffel, die Fliegerhorstgruppe 61, die Luftsicherungsstaffel JaboG 34 in Memmingen oder die Flugabwehrraketengruppe 22. Und trotzdem bleibt auch bei ihm ein wenig Wehmut: „Penzing ist inzwischen ein Teil meiner Familie, der mir sehr fehlen wird. Wir hatten nicht nur Dienst miteinander, sondern auch viel Spaß, private und familiäre Bindungen. Das war typisch hier in Bayern. Eine Kultur, die jetzt wohl verlorengeht.“ Aber der Hauptmann schaut auch zuversichtlich nach vorne: „Deutschland wird klein durch die Bundeswehr. Überall kenne ich Leute und haben wir Freunde. Deshalb sehe ich auch meinen neuen Job in Köln als spannende Herausforderung!“

Autor: Ute Birgit Kindler/Luftwaffe

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