Generalleutnant Ingo Gerhartz ist seit Juni 2018 Inspekteur der Luftwaffe. Im Juni 2025 wechselt er in die operative Führung der NATO. In seiner letzten Flugwoche fliegt er noch einmal in allen vier Eurofighterverbänden. Beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage treffen wir ihn zum Gespräch.
Der Eurofighter ist startklar. Die beiden Flugzeugwarte haben alle Vorbereitungen abgeschlossen, als auch schon der Boss, wie die Truppe Generalleutnant Ingo Gerhatz, nennt, in den Hangar kommt. Ein Lächeln, ein kurzer Handschlag, dann übernimmt er seine Maschine. Nach einem „Walkaround“, bei dem sich der Pilot Gerhartz von der Sicherheit der Maschine überzeugt, setzt er seinen Helm auf und steigt über die Leiter ins Cockpit. Das Dach schließt, der Eurofighter mit der Kennung „30+73“ rollt aus dem Hangar Richtung Startbahn. Ein letzter militärischer Gruß, kurz darauf hebt der General ab. „Ich bin mit dem Inspekteur bei Pitch Black 24 in Australien gewesen. Das ist ein bodenständiger Mensch und für einen Spaß ist er auch zu haben“, sagt Flugzeugwart Chris.
Der Inspekteur der Luftwaffe fliegt Eurofighter – das ist schon irgendwie cool. Viele Flüge sind es allerdings nicht mehr. Am 27. Mai 2025 gibt Gerhartz das Zepter über die Luftwaffe an seinen Nachfolger ab. Wer das sein wird, das steht noch nicht fest. Für den Generalleutnant geht es dann zur NATO. Im niederländischen Brunssum wird er Befehlshaber des „Allied Joint Forces Command“. Es ist eins von zwei operativen Hauptquartieren des NATO-Bündnisses in Europa und hat den Auftrag, die Nord- und Ostflanke Europas zu schützen.
Herr General, wieso fliegen Sie eigentlich gleich eine ganze Woche?
Ich bin immer in ganzen Flugwochen geflogen. Ich nehme mir eine Woche am Stück raus, weil ich taktisch voll mitfliege. Das heißt, dass ich in allen Luft/Luft- und Luft/Boden-Szenarien geschult bin und mit dem Status „combat ready“ fliege. Das könnten Sie nicht schaffen, wenn Sie nur hier und da mal einen Tag fliegen gehen. Montags beginnt die Flugwoche immer mit dem Simulator und dann erhöhe ich das fliegerische Niveau in der Woche langsam, sodass ich zum Ende der Woche richtig fit bin.
Und wieso fliegen Sie diesmal in allen vier Eurofighterverbänden?
Das hier ist meine allerletzte Flugwoche. Ich habe danach noch ein paar Events, werde zum Beispiel auch noch mit dem Eurofighter nach Abu Dhabi verlegen – aber das war es dann. Also habe ich mir überlegt: Ja, in welchem Verband machst du die denn jetzt? Denn egal, in welchem Verband ich sie mache, drei Verbände werden ein bisschen enttäuscht sein. So kam ich auf die Idee, das in allen vier Eurofighterverbänden zu machen. Das klappt gut, weil ich super Leute habe, die mich von einem Ort zum anderen fahren. So sind wir dann am Montagmorgen nach Neuburg gefahren, dort in den Simulator gegangen und am Dienstag geflogen. Nach dem Flug ging es nach Laage. Hier war es relativ einfach. Da die Wittmunder aufgrund der Sanierung der Start- und Landebahn aktuell nicht in Wittmund fliegen können, fliegen die 71er und 73er in Laage gemeinsam. So konnte ich hier zwei Tage bleiben. Zum Schluss geht es noch einmal westwärts zum Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ nach Nörvenich.
Wie anstrengend ist die Woche für Sie?
Ich merke jetzt körperlich keinen besonderen Unterschied zu anderen Flugwochen. Die Fahrerei macht es vielleicht ein bisschen komplizierter, weil jedes Geschwader leicht andere Verfahren hat. Das Anstrengende ist aber natürlich das Eurofighter-Fliegen an sich. Ich bin ja auch nicht mehr 25 oder 30.
In Neuburg hat man Sie ganz besonders empfangen. Was ist passiert?
Ich hatte den Neuburgern extra gesagt: „Bitte, macht nicht viel.“ Aber als ich dann gelandet bin, standen über 100 Soldatinnen und Soldaten des Verbands links und rechts des Rollwegs. Als ich dann in der Mitte durchgerollt bin, haben mich alle militärisch gegrüßt. Ja, das war dann schon irgendwie … Ich sage es mal so: Irgendwie muss da eine Reizchemikalie im Cockpit gewesen sein, weil meine Augen auf einmal ganz feucht waren.
Das war wirklich eine schöne Idee der Neuburger. Aber in Laage ist es noch nicht Ihr letzter Flug …
Ich fliege – wie gesagt – noch eine Verlegung nach Abu Dhabi und dann habe ich hier am 22. Mai eine sogenannte „Last Mission“. Ich will zum Schluss nicht irgendetwas fliegen, sondern eine komplexe taktische Mission. Hier werden alle Luftfahrzeugtypen der Luftwaffe teilnehmen, vom A330 über den A400 bis zum Tornado, dem Eurofighter und unseren Hubschraubern. Dazu kommt, dass alle Verbandsführer sich selbst ins Cockpit setzen und mitfliegen. Meiner Meinung nach muss das Führungspersonal immer ganz vorne mitfliegen und sich taktisch mit hineinbegeben. Natürlich gibt es auch noch einen allerletzten Flug. Das wird ein paar Tage später sein, in Nörvenich. Aber da bin ich dann nur noch alleine in einem Eurofighter und am Boden wartet meine Familie.
Hatten Sie in Nörvenich auch Ihren ersten Flug?
Der erste Verband, in dem ich geflogen bin, war das Taktische Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ in Wittmund. Da habe ich 1989 nach meiner Flugausbildung in Amerika angefangen. Es wäre natürlich schön gewesen, hätte ich dort meinen Fliegerkreislauf schließen können, aber die Bahn in Wittmund ist noch geschlossen. In Nörvenich bin ich eine Zeit lang Kommodore gewesen, sprich: Ich habe den Verband in Nörvenich geführt. Seinen letzten Flug in dem Verband zu machen, den man selber auch führen durfte, da schließt sich auch ein bisschen der Kreis der Fliegerei. Außerdem wohne ich mittlerweile mit der Familie im Rheinland.
Wann war Ihnen klar, dass Sie fliegen möchten?
Ich bin in Büchel aufgewachsen, direkt am Dorfrand mit Blick auf die Start- und Landebahn. Meine Eltern sagen immer, dass ich fünf Jahre alt war, als ich ihnen gesagt habe: „Ich werde so ein Ding da fliegen.“ Die haben natürlich damals herzhaft gelacht – aber gut … Ich bin dann vier Kampfflugzeuge geflogen: Phantom, MiG-29, Tornado und Eurofighter. Etwas über 3.000 Flugstunden habe ich jetzt auf den Kampfflugzeugen gesammelt. Das Fliegen von vier verschiedenen Kampfflugzeugen und diese voll taktisch im Status „combat ready“
Da stellt sich natürlich die Frage: Welches dieser Kampfflugzeuge sind Sie am liebsten geflogen?
Ach, alle. Phantom war auch schön. Damals war ich junger Leutnant und fing im Verband als sogenannter Baroffizier an. Wie alle Frischlinge. Auch eine MiG-29 zu fliegen, ein russisches Kampfflugzeug, war eine Erfahrung für sich. Mit dem Tornado bin ich dann sogar in Afghanistan gewesen – eine sehr wertvolle Erfahrung. Und der Eurofighter ist natürlich hochmodern. Den jetzt für fast sieben Jahre – das auch in Ländern wie Indien, Japan und Australien war sicherlich der Höhepunkt.



